Fly first work later

Luftwandern mit dem Motorschirm

Der Plan

Mit dem Motorschirm mal wieder richtig weit fliegen. Der Plan war schon vor einem Jahr gechmiedet. Start hier um die Ecke in Backnang. Zunächst nach Tannheim bei Memmingen zum Tanken und dann weiter nach Österreich. Zurück mit dem Wohnmobil. Mitfahert bei Günter.  Wenn es nicht an einem Tag geht, dann wäre ja in Tannheim auch eine Übernachtung möglich.

Zunächst nochmal beim DULV geprüft was man braucht um nach Österreich einzufliegen. Versicherung, Funk, ELT am Zielplatz anmelden. Deutsche Motor Gleitschirme ohne Österreich Zulassung gelten dort als UL. Daher die aufwendigeren Vorschriften. Günter habe ich meinen Rucksack schon mitgegeben. Da ist alles drin was ich zum Übernachten brauchen könnte.

Also jetzt Wetter beobachten. Ich suche ruhiges Herstwetter an zwei Tagen vor oder am Wochenende mit leichtem Nordwind. Aber jeden Morgen hat es diesen dicken Herbst Nebel bis zur Mittagszeit.

Jetzt geht 's los

Dann ist doch die Vorhersage da. Nordwind 1-2, kein Nebel. Auf gehts. Fucking früh aufgestanden und zum Flugplatz raus. Kein Nebel - super. Leider auch kein Wind - aber noch nicht mal ein Hauch von Wind. Oh Mann. Bei einer Ausrüstung von 51kg wäre ein wenigstens etwas Wind echt toll gewesen. Wie auch immer. Jetzt bin ich schon da. Aufgeschnallt, Zähne und Arschnacken zusammen und mit aller Gewalt los. Startrichtung 29. Die Abhebegeschwindigkeit von 22 km/h erlauf ich doch lässig mit dem bischen Gewicht...  Als ich Minuten später wieder bei Atem bin kommt schon Stolz auf das ganze Gerödel in die Luft gebracht zu haben.

Nach einiger Zeit stelle ich fest ich bin irgendwie ziemlich langsam. Also versuchen das GPS per reset wieder in Gang zu bringen, das seit dem Start nicht mehr funktioniert. Ganz schönes Gefummel im Gurtzeug den versenkten reset button zu drücken. Bis dahin war ich mit Kompass und Karte geflogen. Als das GPS wieder geht zeigt es magere 16 km/h über Grund an. Der Nordwind kommt heute wohl mal aus Süden... Mist. So brauch ich bis Tannheim 8 Stunden. Also Trimmer ganz auf. Jetzt sind es wenigstens 20 km/h.  Bestimmt wird das noch besser.

Die Wolken sitzen an der Albkante auf

Je näher die Alb kommt um so mehr Wolkenfetzen treibt es vorbei.

                               

Am Albrand dann das was ich schon befürchtet hatte. Die Wolken sitzen auf. Was nun. Also am Albrand entlang Richtung Osten. Nach einiger Zeit tut sich tatsächlich eine grössere Lücke auf und ich kann die Albkante passieren. Die Sicht ist nicht besonders aber noch ausreichend. Ich wäre gerne höher geflogen um nicht alle Wälder und Dörfer umfliegen zu müssen. Die relativ niedrige Flughöhe zwingt mich dazu, damit bei unerwartetem Motorausfall jederzeit ein Landeplatz im Gleitwinkelbereich ist.

Dann kommt Ulm in Sicht. Der Nebel ist zu einer Hochnebeldecke geworden. Die Flughöhe ist jetzt auch deutlich höher und angenehmer. Jetzt Kurs 180 Grad. Ah da ist die Autobahn nach Memmingen. Geschwindigkeit hat auch zugenommen. Naja nun ist das einfach. Allerdings bin ich schon drei Stunden geflogen. Mal den Sprit mit dem Spiegel gecheckt. OK das reicht bis Tannheim.

Ja wo fliegen sie denn...

Am Boden kommt mir alles relativ unbekannt vor. Ich fliege einfach der Autobahn nach. So einfach kann Navigation sein. Oder etwa nicht? Wann kommen denn endlich die Flugplätze Illertissen und Weissenhorn? Mal das GPS unter der Karte vorkramen und kurz die Position prüfen.  Das auch noch. Die Autobahn unter mir ist die nach Friedrichshafen. Also Kurs Ost.  Der Wind kommt inzwischen aus? Richtig. Natürlich aus Ost. Schon wieder Schneckentempo für mindestens eine halbe Stunde. Endlich kann ich wieder Richtung Süden fliegen. Da geht es doch gleich viel besser voran. Jetzt mit Seitenwind. Inzwischen kreisen auch schon die ersten Greifvögel. Na prima. Nun geht auch noch die Thermik los.

Wie weit reicht ein Tank?

Um die Frage gleich zu beantworten. Bei solchen Bedingungen nicht  bis nach Tannheim. Bevor ich den Flugplatz von Illertissen erreichen kann bleibt dann der Motor mangels Sprit tatsächlich stehen. Schnell eine schöne Wiese ausgesucht und gelandet. Mit sehr hilfsbereiten Menschen war das Problem wieder zu beheben. Mit dem Auto Sprit geholt und mit dem Anhänger dann zum Startplatz transportieren lassen. Klasse, dass sich jemand so viel Zeit nimmt und Mühe macht.

                             

Die letzten Kilometer bis Tannheim sind dann von heftigen Steigwerten und Sinkwerten geprägt. Ein Ritt durch die Thermik des Illertals. Ich rufe mehrfach Tannheim Info doch bekomme keine Antwort. Info ist besetzt. Die anderen Flugzeuge haben Kontakt. Scheint mein Mikro tut es nicht. Ich versuche weiter zu funken, verlass mich aber nicht darauf, dass ich gehört werde. Ich komme über eine verkürzte UL Platzrunde rein. Einer Cessna 172 noch kurz den Vortritt gelassen, durch eine deutliche Warteschleife angezeigt. Dann ins Endteil 09 eingedreht und südlich der Bahn vor dem Resaurant gelandet. Ich erzähle den fragenden und ungläubig schauenden Motorschirm Jungs am Platz, dass ich aus Backnang komme. Die hatten den Flugbetrieb eingestellt, weil die Bedingungen zu heftig waren. Am Boden war der Wind auch wirklich deutlich stärker als in 300-400m über Grund. Ich schätze um 20 km/h und in Böen eben deutlich mehr. An ein Weiterflug ist nicht zu denken. Also Pause bis zum Abend.

                                                       

In Österreich hängen die Wolken bis zum Boden

Bevor ich am Abend aufbreche rufe ich kurz in Österreich an. Die Wolken hängen bis zum Boden sagt man mir. Der Wind am Platz ist immer noch kräftig. Alles spricht für hier bleiben. Also ein Zimmer klar gemacht. Die Ausrüstung darf ich im Hangar unterstellen. Der Abend ist sehr kurzweilig am Fliegerstammtisch des Flugplatzes. Es kursieren die üblichen Geschichten zwischen Wahrheit und Fliegerlatein.

Tag 2, Pleiten, Pech und Pannen

Am nächsten Morgen nach einem ausgiebigen Frühstück laufen die Startvorbereitungen auf Hochtouren. Wieder kein Wind. Fast wie gestern in Backnang. Also same procedure as yesterday - Zähne und Arschbacken zusammen..  Diesmal rutscht mir die Bremsleine beim Aufziehen aus der Hand und der Griff kommt in den Prop. Brrrrrrr macht es. Mist. Start abgebrochen. Schaden begutachtet. Das ist mir jetzt in 15 Jahren Motorschirm noch nie passiert. Wie auch immer. Mit Hilfe von Material der Fallschirmspringer kann ich alles soweit wieder funktionsfähig machen. Der nächste Startversuch mit der leicht havarierten Ausrüstung klappt nun auch nicht mehr. Die Erschöpfung ist nun auch so stark, dass ich beschließe hier abzubrechen. Ich ruf Isy an sie soll mich abholen. Gut zerlegt passt der Motor dann auch fast in den Twingo.

               

Das Ziel in Österreich habe ich diesmal noch nicht erreicht. Die Rechnung ist noch offen. Die Frage ist immer ob man das besser mit oder ohne Begleitfahrzeug anpacken soll. Für mich ist klar: ohne. Da und dort mal was improvisieren. Das macht den Reiz aus. Mal was ungeplantes und unvorhergesehenes meistern.

Das war sicherlich nicht mein letzter Trip...